Georeise Nord - Süd 2021

Geologische Reise mit der Heilsteinschule: Vom Glarnerland ins Unterengadin

Die Alpenseminare der Heilsteinschule Schweiz verbinden geologisches Sightseeing mit wissenschaftlichen Hintergründen, Fachwissen in der Steinkunde und unvergesslichen Naturerlebnissen. Ende August waren wir gemeinsam mit Dr. Andreas Stucki unterwegs. Der lnhaber von Siber + Siber und leidenschaftliche Strahler führte uns an verschiedene Fundstellen rund um den Julierpass.

(Photo) Im lnnern des Schieferbergwerks Engi.

Der Beginn des Alpenseminars ist gleichzeitig eine Reise zurück zur Entstehung der Alpen. Ander Lochsiten in der Nähe von Elm fülhrt uns eine schmale Brücke zu einem Pfad an einer Stelle am steilen Hang, wo die geologische Geschichte zu Tage tritt. Eine schnurgerade Spalte zieht sich quer durch den Felsen. Sie markiert die Grenze zwischen 250 bis 300 Millionen Jahren altem Verrucano-Gestein, das sich Ober 30 bis SO Millionen Jahr junges Flysch-Gesteine geschoben hat. Die Stelle steht auch für einen Wendepunkt in der Wissenschaft: Lange gingen Forscher davon aus, dass Gebirge aufgrund der Schrumpfung der Erde im Zusammenhang mit deren Abkühlung entstanden. Die Lochsiten trug dazu bei, dass sich die Erkenntnis durchsetzte, wonach Überschiebungen fur die Alpenbildung verantwortlich sind.

Schiefer und Eisenerz

Später am Tag wechseln wir die Perspektive und tauchen ins lnnere der Glarner Entstehungsgeschichte ein. Die Führung im Schieferbergwerk Engi offenbarte, welche Kräfte an dieser Stelle im Gebirge wirken und welche Rolle das Gestein fur die Menschen in der Region spielte. Noch tiefer in den Berg hinein lockt uns danach die geführte Tour durch das Eisenbergwerk Gonzen am Nachmittag. War das Schieferbergwerk noch hell ausgeleuchtet und luftig, leuchtet uns hier nur das magere Licht unserer Lampen den Weg durch die klobigen Gange.

(Photo) Spuren von Eisenerz im Bergwerk Gonzen.

Nach dem Besuch im Gonzen schlagen wir in Bivio Quartier auf, wo Andreas Stucki den Tag mit einem Workshop über die geologische Beschaffenheit der Region um den Julier beschliesst. Gleichzeitig ist es die Vorschau auf die kommenden Tage. Neben alten magmatischen Gesteinen vom ehemals afrikanischen Kontinent wie Granit und Diorit warten Gesteine vom Ozeanboden der Jurazeit auf uns: Serpentin, Gabbro, Basalt, Radiolarit und Rodingit. Die Reise fuhrt uns aber auch zu massivem Dolomit aus der Triaszeit und Spuren von Erzabbau aus der Bronzezeit.

Steinerne Zeugen vom Meeresboden

Dreh- und Angelpunkt für die Ausfluge zu den Fundstellen bei Bivio ist der Lai da Marmorera. Riesige Steinquader in der mit Gras  überzogenen Staumauer zeugen von den verschiedenen Vorkommen rund um den See. An einer Abbruchstelle erläutert unser geologischer  Experte Dr. Andreas Stucki weitaus handlichere Exemplare von grün- schwarz schimmerndem Serpentin. Früher bildete dieses Gestein den  Boden des JuraOzeans, heute säumt es vergleichsweise bescheiden das Ufer des Lai da Marmorera.

(Photo)  Rund um den Lai da Marmorera zeugen Fundstellen von der ozeanischen Vergangenheit.

Locker verstreut finden sich in der Gegend auch kleinere und kompakte Exemplare von Radiolariten, der Schweizer Variante des roten Jaspis. Radiolarite bestehen aus ozeanischen Sedimenten und bilden oft die Schicht über dem Serpentin sowie dem Basalt, der die dominierende  Gesteinsform rund um Bivio bildet. Die Basalte wiederum wurden durch Prozesse auf dem Meeresgrund teilweise in Rodingit  umgewandelt. Auch dieser ist in der Umgebung zu finden. Weitere Zeugen des früheren Ozeans sind die Pillow-Strukturen auf der nähen Alp Flix, die wir kurz darauf aufsuchen. Die Gesteinskissen entstanden, als Lava am  Meeresboden austrat und unmittelbar darauf abkühlte.

(Photo)  Die Gruppe auf der malerischen Alp Flix

Später am Abend arbeiten die Teilnehmer am therapeutischen Workshop mit den gefundenen Mineralien, begleitet von Bruno Vogler Pfeiffer, Manuel Litschi und Daniel Lüscher von der Heilsteinschüle. Diallag-Gabbro am Wegrand  Zurück am Lai da Marmorera erkunden wir am Morgen darauf eine weitere Fundstelle, gleich neben dem gleichnamigen Dorf. Ein Kiesweg führt an massiven Brocken von  Diallag- oder Marmorera-Gabbro vorbei, die sich am Hang auftürmen. Die Schönheit dieser Steine offenbart sich erst nach der Bearbeitung mit einem Hammer: In einer Grundmasse aus grünlichem Feldspat schimmern braun  glanzende Pryoxen-Kristalle. Der Gabbro ist wie die Basalte vor ründ 160 Mio. Jahren entstanden, kristallisierte sich aber in grösserer Tiefe.

(Photo) Aufgebrochener Diallag- oder Marmorera-Gabbro

Magmatisches Gestein am Julierpass

Am frühen Morgen des dritten Tages führt uns ein schmaler Weg durch den Wald über dem Lai da Marmorera. Nach einer guten Stunde öoffnet sich eine Lichtung und der Blick auf ein Kapitel, das geologisch gesehen jüngeren Ursprungs ist. Bei der " Gruba" finden sich Hinweise auf den Erzabbau, der mutmasslich in die Bronzezeit zurückreicht. Der markanteste Zeit zeuge ist ein niedriger Stollen, unter dem sich eine Schutthalde aus herausgearbeitetem Gestein angesammelt hat. Patina an einzelnen Brocken deutet auf Kupfer-Eisenerze hin.

Nach dem Abstieg machen wir uns auf zum Julierpass. Oberhalb von Bivio sammeln wir Haupt-Dolomit, einem geologischen Relikt aus der Frühzeit der Ozeanbildung zwischen Afrika und Europa vor rund 220 Millionen Jahren. Auf der Passhöhe angekommen, wandern wir zum  nächsten See, dem Leg Grevasalvas. Hier stossen wir auf eine Vielfalt  von magmatischem Gestein: Julier-Granit, Diorit und ehemalige  Vulkanite. Letztere sind stark deformiert und ähneln grauem Schiefer.  Dazu findet sich immer wieder auch Radiolarit, ebenfalls in schieferiger Form.

Die Fundstücke des Tages wiegen schwer im Gepack, als wir wieder absteigen. Die nächste Etappe der Reise ist das Unterengadin. Im Nationalparkmuseum in Zernez endet der Seminarteil des dritten  Tages. Bei der Führung erfahren wir vieles über die Geologie, aber  auch die Flora und Fauna. Am nächsten Tag erkunden wir alle drei Dinge mit den eigenen Sinnen bei der Wanderung durch den Park.  Die Suche nach Steinen rückt dabei in den Hintergrund, da das  Mitnehmen ohnehin nicht erlaubt wäre. Doch die Natur entschädigt  uns auf eine andere Weise. Gerade als wir die letzte Wegmarke der  Wanderung beim Gasthof II Fuorn erreichen, ziehen zwei Bartgeier  ihre Kreise über den Baumwipfeln.